Fachtagung 2022: Die drei Lernorte

Der Bündner Gewerbeverband (BGV) hat am 16. November zum ersten Mal eine «Fachtagung Berufsbildung» durchgeführt. Mit der Veranstaltung rund um die berufliche Grundbildung sollte der Austausch, die Koordination und die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der Berufsbildung gestärkt werden. Im Zentrum der Fachtagung mit 150 Anwesenden standen die drei Lernorte der Berufsbildung: Lehrbetrieb, überbetriebliche Kurse und die Berufsfachschule. Ein zentraler Erfolgsfaktor der Berufsbildung ist eine gute Zusammenarbeit zwischen den drei Lernorten. Künftig dürfte diese Zusammenarbeit noch wichtiger werden.

Rico Cioccarelli vom Leitenden Ausschuss des BGV wies darauf hin, dass der BGV als Dachverband der verschiedenen Branchen im Kanton den Austausch zwischen den Akteuren der Berufsbildung fördern möchte. Regierungsrat Dr. Jon Domenic Parolini bedankte sich in seinem Grusswort für die Initiative des BGV. Anschliessend konnte er zusammen mit dem Präsidenten des BGV, Viktor Scharegg, die Bündner Medaillengewinner/innen der Schweizer Berufsmeisterschaften SwissSkills ehren. Zur Verbundpartnerschaft zwischen Bund, Kanton und Branchenverbänden (auch Organisationen der Arbeitswelt genannt) und den drei Lernorten haben Sina Schlumpf, Projektverantwortliche Berufsbildungspolitik des sbfi und Curdin Tuor, Leiter des Amts für Berufsbildung, referiert. Die Tagung wurde von Melanie Salis moderiert. In der Pause und im anschliessenden Netzwerkapéro konnten sich die Teilnehmer/innen aus den Lehrbetrieben, Schulen, üK-Zentren und den Branchenverbänden austauschen.

Beispiele aus der Praxis

Mit sieben Kurzpräsentation wurden Beispiele aus der Praxis präsentiert. Martin Good, Direktor der Gewerblichen Berufsschule Chur, ging der Frage nach, wie kompetenzorientiertes und individuelles Lernen die Berufsschule verändert. Jan Giger vom AGVS-Graubünden zeigte auf, wie die Berufsschule und das üK-Zentrum die gemeinsame Infrastruktur nutzen und bei den Eignungstests zusammenarbeiten. Fausto De-Stefani, Rektor Berufsfachschule Val Müstair führte aus, dass individuelles Lernen in der kleinsten Berufsfachschule der Schweiz aufgrund der kleinen Anzahl Lernenden Standard sei. Speziell sei auch, dass alle Gewebegestalter/innen der Schweiz in Müstair einen dreisprachigen Unterricht in Blockkursen besuchen. Marc Tischhauser, Geschäftsführer von GastroGraubünden, präsentierte das Angebot «TOP-Ausbildungsbetriebe», mit welchem die Lehrbetriebe in der Ausbildung der Lernenden unterstützt werden. Claudio Müller, Vorstandsmitglied des Graubündnerischen Baumeisterverbandes, stellte den Ausbildnertag der Baumeister vor sowie der Einsatz der Onlineplattform Sephir, welche die Zusammenarbeit zwischen den Lernorten verbessert. Peter Schlegel, Fachlehrer der Gewerblichen Berufsschule Chur, zeigte die Verbindung der drei Lernorte anschaulich an der Projektarbeit bei den Polymechanikern. Dragica Vrhovac stellte ihre Tätigkeit als Ausbildungscoach im Bildungszentrum Polybau vor. Mit diesem Angebot sollen Lehrabbrüche bei den Berufen der Gebäudehülle verhindert werden.

Von der Vergangenheit der Lernorte

Zur Geschichte und Zukunft der drei Lernorte referierte Dr. Alexandra Strebel von der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung. Die Rollen der drei Lernorte hätten sich gewandelt, vor allem bei den überbetrieblichen Kursen. Die Berufsfachschule wurde eingeführt, um die Qualität von Schweizer Industrieprodukten zu verbessern und um anständige Berufsleute zu erziehen. Lernende wurden früher in den Betrieben vielfach schlecht behandelt und ausgenutzt, so dass die Kantone im Rahmen der Fabrikgesetze auch die Ausbildung zu regeln begannen. So entstand die kantonale Lehrbetriebsaufsicht. Seit den 1930er Jahren gibt es ein nationales Rahmengesetz zur Berufsbildung.

Was bring die Zukunft?

Künftig werde sich die Rolle und Zusammenarbeit der drei Lernorte aufgrund gesellschaftlicher und technologischer Entwicklungen wandeln. Wird man künftig in den üK vermehrt auf Virtual Reality anstatt herkömmlichen Modellen setzen? Wie verändert das kompetenzorientierte Lernen die Rollen der Lernorte? Die Podiumsdiskussion mit Strebel, Good, Tischhauser und Luzi Thomann, Inhaber der Thomann Nutzfahrzeuge AG, drehte sich um die Zukunft der Lernorte. So wie heute seinen auch Eigenverantwortung, Motivation und Ausdauer der Lernenden gefragt. Thomann wies darauf hin, dass Motivation erst entsteht, wenn die Lernenden heutzutage den Sinn und das Ziel der Aufgaben verstehen würden. Zudem sei Arbeiten und Lernen im Team künftig noch wichtiger. Die Podiumsgäste gingen der Frage nach, welchen Einfluss die zeit- und ortsunabhängige Arbeit auf die künftige Berufslehre haben werde. Obwohl die Entwicklung in der Zukunft Glaskugellesen ist, waren sich alle Podiumsgäste einig, dass die Arbeit der Lernorte komplexer und die Zusammenarbeit noch wichtiger werde.