KMU goes digital: Ritter Schumacher AG - BIM-Einsatz in der Praxis

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Building Information Modeling (BIM) ist in der Planungs- und Baubranche in aller Munde. Aber wie sieht der Einsatz von BIM in der Praxis aus? Wir waren beim Unternehmen Ritter Schumacher Architekten zu Besuch und haben mit Geschäftsführer Markus Wolf und den beiden BIM-Spezialistinnen Martina Widmer und Alexandra Wolf gesprochen. Dabei haben wir erfahren, dass BIM mehr als eine Technikapplikation für die Planung ist.

sg. Wie hat sich BIM über die letzten Jahre bei Ritter Schumacher entwickelt?

Markus: Vor gut acht Jahren stellten wir einen BIM-Verantwortlichen ein und haben seitdem in diesem Bereich viel investiert. 2016 realisierten wir unsere erste komplette BIM-Planung und im 2020/21 unser erstes BIM-TO-FIELD-Projekt. Damit schafften wir den Sprung vom Zeichnertisch auf die Baustellen zu den Handwerkern. Die Verantwortlichen auf den Baustellen können alle Details via Tablet vor Ort abrufen und brauchen keine Papierpläne mehr. Planrevisionen werden ebenfalls digital vorgenommen. Letztes Jahr durften wir für die Schweizerische Post den Leitfaden für BIM-Planungen von Logistikgebäuden entwickeln. Auf dieser Grundlage bauen und betreiben sie nun künftig ihre Logistikgebäude wie die Paketverteilzentren.

Was sind die Vor- und Nachteile von BIM in der Praxis?

Martina: Rückblickend betrachtet, wurde in den letzten Jahren vor allem in die Technologie investiert. Anstatt die Planungsprozesse zu vereinfachen, wurde vieles komplizierter. Deshalb stehen Bauherren und Baufirmen dem Einsatz von BIM heute oft kritisch gegenüber: Mehr Planungszeit und kaum spürbar bessere Qualität – diese Kritik hören wir im Alltag. Die wirkliche Stärke von BIM liegt nicht in der Technologie, sondern in der Zusammenarbeit aller Mitwirkenden. Bei BIM ist wichtig, dass alle Fachplaner und involvierten Ausführungsfirmen von Anfang an bei der Planung des virtuellen Modells dabei sind. Nur so kann man frühzeitig Schwierigkeiten und Fehler in der Planung vermeiden. Überraschungen und Umplanungen während des Baus werden damit auf ein Minimum reduziert. Wichtig ist, dass alle Beteiligten von der BIM-Methode profitieren, auch die Handwerker auf der Baustelle.

Konnten Sie beim BIM-Einsatz auch Zeit einsparen?

Alexandra: Für die Planung brauchten wir bis anhin insgesamt länger. Dies ist aber nicht der Technologie geschuldet, sondern der Arbeitsweise. Soll der Bauprozess in Zukunft effizienter, genauer und schneller werden, ist der richtige Einsatz der BIM-Arbeitsmethode wichtig. Weiter muss man bei der Planung viel langfristiger bis hin zum Facility Management denken. Heutzutage werden Häuser vielfach drei Mal gezeichnet, weil es immer wieder Änderungen gibt, was enorm Zeit braucht. Mit der richtigen BIM-Arbeitsweise wird es nur einmal virtuell gebaut, danach geht’s auf die Baustelle und wird so umgesetzt, wie’s auf dem Tablett zu entnehmen ist. Die Baumeister, die mit uns zusammenarbeiten, sind begeistert von den Möglichkeiten.

Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Planung und Bauen in der Praxis aus?

Alexandra: Bei einem aktuellen Bauprojekt haben wir es geschafft, die Unternehmer vom ersten Planungsschritt an direkt zu involvieren, damit diese ihre Perspektiven frühzeitig einbringen können. Für viele ist es ein sehr grosser Schritt, sich von den festgefahrenen Denk- und Handlungsmustern zu lösen. BIM erfordert am Anfang eines Projekts mehr Zeit, es ist aber eine Investition, die sich auszahlt. So sind bei diesem Beispiel die gewonnenen Vorteile, vor allem auf der Qualitäts-, Zeit- und Kostenschiene sehr erfreulich.

Was müssen BIM-Spezialisten können?

Markus: Man muss ein gutes Verständnis für Architektur, Bauprozesse und Technik haben. Was Alexandra und Martina beim Einsatz von BIM auszeichnet, ist die Weiterentwicklung von BIM, die Zusammenarbeit und die Kommunikation. Sie halten die Prozesse einfach und teilen ihr Wissen mit dem Team. Bauen war schon immer Teamarbeit, durch BIM erhält diese aber eine neue Dimension. Aus meiner Erfahrung haben Frauen einen sehr wertvollen Blickwinkel. Sie stellen die «lästigen» Fragen, die uns weiterbringen, denken langfristig und überwinden somit viele Hürden in dieser Pionierarbeit.

Zur Ritter Schumacher AG

1967 gegründet zählt das Unternehmen heute 90 Mitarbeitende in Chur, Vaduz und Zürich.

Tätigkeitsfelder: Immobilien-Entwicklung, Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur, Baumanagement, Bauingenieure, Nachhaltigkeit, Green Real Estate, BIM-Management. 

www.ritterschumacher.com

Was ist BIM? Zum Erklärvideo.

 

Zur Serie KMU goes digital: Mitgliederfirmen, die den Fokus auf die Digitalisierung setzen, können sich melden bei info@kgv-gr.ch.

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