Wieder mehr die Menschen und weniger die Bürokratie «behandeln»

Zurück zur Übersicht

«Als Kind wollte ich Pilotin werden, die Naturwissenschaften interessierten mich jedoch auch» erzählt die Präsidentin des Bündner Ärztevereins. Denn studiert hat sie Medizin und spezialisierte sich in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Die erste Präsidentin des Bündner Ärztevereins steht dem 200-jährigen Branchenverband seit sechs Jahren vor. Für sie steht der Mensch in der Medizin im Mittelpunkt, leider habe die Bürokratie in der Medizin überhandgenommen.

sg. Heidi Jörimann setzt sich dafür ein, dass die Bürokratie bei ärztlichen Behandlungen reduziert wird. Denn oft dauert der bürokratische Aufwand länger als die Behandlung selber. Als Ärztin ist Jörimann von der Entstehung und Entwicklung des Lebens fasziniert. «Das begeistert mich auch nach Jahrzehnten im Beruf immer noch», strahlt sie. Ihr Sorgenkind ist der Nachwuchs der Hausärzte, denn es werden zu wenige ausgebildet und sie wandern nach einiger Zeit in der Ausbildung in andere Fachgebiete ab. Akut ist der Mangel an Hausärzten in den ländlichen Gegenden in Graubünden. Regelmässige Arbeitszeiten sind da schwierig einzuhalten, deshalb wählen auch viele Ärzte lieber die Tätigkeit im Spital oder in einer grösseren Praxis. Für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung im gesamten Kanton Graubünden muss die Entlöhnung der Hausärzte verbessert und die Bürokratie abgebaut werden.

Die Behandlung der Patienten wieder ins Zentrum rücken

Die Bürokratie nehme laut Jörimann in der Medizin laufend zu. So muss jeder Handgriff protokolliert werden und es gebe Qualitätskontrollen ohne Ende. Das mache in vielen Fällen gar keinen Sinn und es werde auch nicht alles entlöhnt. Dies führt im Gesundheitswesen zu Unverständnis und Frust. «Zum Glück bleibt die Freude an den Kernaufgaben des Berufs bestehen und dass man als Ärztin den Menschen helfen kann», hebt Jörimann hervor. Der Mensch müsse jedoch wieder ins Zentrum gerückt werden. Wenn Heidi Jörimann die politischen Vorgaben selber gestalten könnte, würde sie das Thema der einheitlichen Finanzierung angehen, sprich kein Tarifunterschied zwischen ambulanter und stationärer Behandlung. Bereits dies würde die Bürokratie und vor allem die Kosten wesentlich verringern. Die einheitliche Regelung der Medikamentenabgabe für die Ärzte in allen Gemeinden würden ebenfalls vieles vereinfachen.

Zweiklassen-Medizin verhindern

Für Jörimann haben die Versicherer und die Bundespolitik zu viel Macht im Gesundheitswesen. Insbesondere stört sie sich an der möglichen Einführung eines Global-Budgets. Die Folge davon wäre eine Zweiklassen-Medizin. Wer es sich leisten kann, würde bei einem solchen Modell über die Zusatzversicherungen alle Leistungen erhalten, die er haben möchte. Der Allgemeinversicherte müsste sich mit dem begnügen, was das Budget hergibt. Der Bündner Ärzteverein setzt sich zusammen mit anderen Ärztevereinen gegen diese Zweiklassengesellschaft ein.

Weiterbildungen und Digitalisierung

Der Ärzteverein führt Weiterbildungen durch, um seine Mitglieder bei Themen aus dem ärztlichen Alltag weiterzubilden. Ein weiteres wichtiges Thema des zweitgrössten Branchenverbands in Graubünden ist die Digitalisierung. Denn diese wird in Zukunft gemäss Jörimann die Medizin völlig umkrempeln. Die Ärzte sind in diesem Bereich gefordert Schritt zu halten. Aber auch die Patienten würden diesen Wandel zu spüren bekommen. In Zukunft würden für die Vorabklärungen vermehrt digitale Checklisten eingesetzt und Gesundheitsdaten automatisch gemessen, was zu genaueren Diagnosen führen wird. Die Ärzte werden sich auf das Wesentliche konzentrieren können, die präventive Arbeit werde zunehmen und sie werden vermehrt zum Gesundheitscoach.

Über Heidi Jörimann

  • Geboren 1961 in Aarau, gebürtig von Tamins
  • Wohnt seit 1997 in Schiers
  • Inhaberin einer Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe in Schiers seit 1997, ab 2022 in Landquart

Beruflicher Werdegang

  • Eigene Praxis in Schiers
  • Leitende Ärztin Gynäkologie Regionalspital Schiers
  • Ärztin Kantonales Spital Walenstadt

Sonstige Aktivitäten

  • Präsidentin Bündner Ärzteverein seit 2016
  • Expertenkomission Arbeitssicherheit FMH
  • Leitender Ausschuss des BGV

zurück zur Übersicht