Potenzial der Energieproduktion in Graubünden sinnvoll nutzen

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Die Dachorganisationen der Wirtschaft Graubünden (DWGR) haben vor gut zwei Jahren in einem Positionspapier zum Green Deal darauf hingewiesen, dass die Dekarbonisierung eine Steigerung der Stromproduktion benötigt. Damals noch kein grosses Thema, ist eine sichere Energieversorgung im Zuge der Dekarbonisierung seit einem Jahr in aller Munde. Die Ablösung der CO2-haltigen Energieträger geschieht hauptsächlich über Strom – sei dies direkt oder indirekt. Strom ist aktuell nicht effizient lagerbar, so dass nicht nur die gesamte Energieproduktion zentral für die Versorgungssicherheit ist, sondern auch die Leistung, die abgerufen werden kann, wenn der entsprechende Strom jeweils benötigt wird. Mittels Energieeffizienz wird für die gleiche Leistung künftig zwar in vielen Bereichen weniger Energie benötigt werden. Dekarbonisierung, Wirtschaftswachstum und die Stabilisierung der Energienetze werden jedoch zu einem Mehrbedarf an Strom führen..

Wo und wie soll diese Energie produziert werden? Eigentlich sollte diese Frage mit der Energiestrategie 2050 des Bundes geklärt werden.Dass diese gescheitert ist, hat auch die nationale Politik gemerkt. Was beim Ausbau der Energieproduktion in den letzten zehn Jahren verschlafen wurde, wird nun im hohen Tempo nachgeholt: Solarexpress, Windexpress, Mantelerlasse, Klimagesetz und CO2-Gesetz.
Auch der Kanton Graubünden hat mit der Anhörung zum Richtplan Energie eine wichtige Grundlage im Bereich der Energiepolitik vorgelegt. Darin sind die Ausbauziele für Graubünden festgelegt. Die Ausbauziele festzulegen ist primär eine politische Aufgabe. Solche Entscheide sollten nicht von der Verwaltungsbehörde gefällt werden, sondern von der Politik – in diesem Fall vom Grossen Rat. Daher sind die angestrebten Ausbauziele durch den Grossen Rat parallel zur Anhörung des Richtplans zu diskutieren und festzulegen. Der Grosse Rat soll im Sinne von planerischen Vorgaben die Ausbauziele als Gesamtes sowie die Ziele pro Produktionsart bestimmen. Darauf abstützend, kann die Regierung den angepassten Richtplan Energie verabschieden. Dieser sollte ein Planungsinstrument sein und für alle Stromerzeugungsarten die Gebiete definieren, welche aus raumplanerischer Sicht für die Energiegewinnung potenziell nutzbar sind. Private Stromerzeuger sollen dann entscheiden können, wo sie welche Investitionen tätigen. Dabei dürfen bei der Erstellung des Richtplans durchaus betriebswirtschaftliche Überlegungen mitspielen. Die Erschliessung des Stromnetzes sowie die Verkehrserschliessung sind wichtige Faktoren, ob der geplante Zubau auch realisiert wird.

«Die Alpen gehören allen», war kürzlich wieder einmal in einer grossen Tageszeitung zu lesen. Jede Fläche in der Schweiz verfügt über einen Grundeigentümer, so auch die Flächen, welche für die Stromerzeugung gebraucht werden. Diese gehören nicht allen, sondern meist den Gemeinden, Genossenschaften und Korporationen. Es ist zentral, dass neben dem Grundeigentum auch künftig die Mitsprache der Stimmbevölkerung auf Gemeindeebene bei Grossprojekten für die Energieerzeugung sichergestellt wird. Der Kanton soll daher im Energiegesetz festlegen, das für solche Projekte in Graubünden zwingend eine Konzession benötigt wird.

Aktuell scheint es so, als sollen wieder einmal die Randregionen das Problem des Mittellandes lösen. Neuer Winterstrom aus Solarenergie und Wasserkraft aus den Alpen sind zurzeit die Lösung. Aber möchten wir überhaupt in Graubünden mehr Strom produzieren? Graubünden produziert bereits heute zirka 8000 Gigawattstunden (GWh) Strom pro Jahr, und damit in etwa das Vierfache, was in Graubünden momentan benötigt wird. Wenn wir die Stromproduktion ausbauen, vor allem für die Spitzenzeiten, soll dieser Beitrag entsprechend abgegolten werden. Die Inwertsetzung der alpinen Landschaft ist nicht gratis zu haben.

Gute Rahmenbedingungen im Sinne eines geschickten Marktdesigns bringt mehr als Subventionen beim Ausbau der Energieproduktion. Diese kann man nicht verordnen. Es braucht, um Investitionen attraktiv zu gestalten, langfristige Sicherheiten beim Strompreis. Neben dem Ausbau der Stromproduktion werden wir nicht darum herumkommen, die Rahmenbedingungen für den Strommarkt anzupassen. Energie ist grundsätzlich zu günstig. Künftig muss der Preis den Energiebedarf stärker lenken. Es müssen preisliche Anreize gesetzt werden, um Strom zu sparen, vor allem wenn viel Strom benötigt wird. Dabei ist es zentral, dass künftig die Steuerung der Lasten auch bei Privathaushalten und kleineren Betrieben einfacher und automatisch gesteuert werden kann. Jede und jeder soll individuell und flexibel festlegen können, wie und wann er Strom verwendet. Es ist auch in diesem Bereich nicht zielführend und vor allem teuer, wenn die ganze Infrastruktur auf die grösstmögliche Auslastung ausgerichtet ist.

Die Versorgungssicherheit ist nicht nur eine Frage nach der Erhöhung der Stromproduktion, sondern der Ausgestaltung des Strommarkts. Nichtsdestotrotz kann Graubünden sein Potenzial in der Energiegewinnung künftig noch stärker nutzen. Dabei sollen Produktionsstätten errichtet werden, welche erneuerbaren Strom wirtschaftlich nachhaltig produzieren und zur Wertschöpfung in Graubünden beitragen, wie dies bisher bereits bei der Wasserkraft der Fall war.

GASTKOMMENTAR im "Bündner Tagblatt" vom 17. Juli von unserem Direktor Maurus Blumenthal

 

 

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