Die Rolle und Aufgaben des Verwaltungsrats

Der Verwaltungsrat (VR) ist das oberste Leitungs- und Aufsichtsorgan einer Aktiengesellschaft. Seine Aufgaben und Pflichten sind im Aktienrecht festgelegt. Darüber hinaus leistet der VR einen aktiven Beitrag zum Erfolg eines Unternehmens. Karin Iseppi, Treuhänderin und Vizepräsidentin von Treuhand Suisse Graubünden, erklärt, wer einen Verwaltungsart braucht.

In Graubünden sind ein Drittel aller Unternehmen gemäss Handelsregistereintrag als Aktiengesellschaften organisiert. Im Durchschnitt verfügt eine Aktiengesellschaft über zwei bis drei VR. Bei 6650 in Graubünden domizilierten Aktiengesellschaften sind demnach über 10 000 VR aktiv. Die Vorteile einer AG als Organisationsform für ein KMU sind gemäss Karin Iseppi, Treuhänderin und Vizepräsidentin von Treuhand Suisse Graubünden, die Haftungsbeschränkung, die Kapitalaufnahme, die Flexibilität bei Eigentumsübertragung sowie steuerliche Vorteile, insbesondere bei der Unternehmensnachfolge. Mögliche Nachteile sind die Gründungskosten von 100 000 Franken und die umfassende Regulierung von Aktiengesellschaften, was zu einem erhöhten administrativen Aufwand führt. Das Aktienrecht umfasst rund 150 Artikel im Obligationenrecht. Im Vergleich zu KMU gelten für Unternehmen, die an der Börse kotiert sind, besonders strenge Pflichten. Es gehört zu den Aufgaben des VR, in den Statuten und im Organisationsreglement die Bestimmungen zur Unternehmensführung rechtskonform festzulegen.

Die Pflichten des Verwaltungsrats
Der VR trägt aus rechtlicher Sicht die Hauptverantwortung für das Unternehmen. Er übt verschiedene Aufsichtsfunktionen aus, insbesondere im finanziellen Bereich, beim Risikomanagement sowie bei der Compliance, also der Einhaltung von Gesetzen. VR-Mitglieder müssen sich ihrer Pflichten bewusst sein und diese nachweislich erfüllen, um Haftungsrisiken zu minimieren. Wer als Mitglied oder Präsident im VR einer Aktiengesellschaft sitzt, trägt seit 1. Januar 2023 mehr Verantwortung, als dies vorher der Fall war. Mit der Aktienrechtsrevision sind die Anforderungen an VR-Mitglieder gestiegen, vor allem was die Bereiche Kapitalverlust und Überschuldung betrifft. Seit Anfang 2023 muss gemäss Iseppi der VR die finanzielle Situation der Gesellschaft aktiv überwachen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit ist er verpflichtet, Massnahmen zur Sicherstellung der Liquidität zu ergreifen. Wenn erforderlich, muss er weitere Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft treffen, vor allem wenn bei einem Kapitalverlust eine Unterdeckung vorliegt. Im Gesetz wird neu ausdrücklich auf das Mittel der Nachlassstundung hingewiesen, für die der VR das entsprechende Gesuch einreichen muss – und zwar «mit der gebotenen Eile», wie es im Gesetzestext heisst. Bei Verletzung der gesetzlichen Pflichten können die einzelnen VR seit der letzten Aktienrechtsrevision einfacher mit ihrem persönlichen Vermögen haftbar gemacht werden. Im Rahmen der letzten Revision wurden die Gründungs- und Kapitalvorschriften flexibler gestaltet und die Geschäftsführung kann nun ohne Statuteneintrag delegiert werden. Daneben sind auch neue Bestimmungen zu den übermässigen Vergütungen sowie Geschlechterrichtwerten für Kaderpositionen in Grossunternehmen und strengere Transparenzregeln für den Rohstoffsektor eingeführt worden.

Der Verwaltungsrat als Gestalter
Die Rolle des VR beschränkt sich jedoch nicht nur auf eine Aufsichtsfunktion in finanziellen Angelegenheiten. Gemäss Iseppi ist es ebenso wichtig, dass der VR sich um die strategische Führung des Unternehmens kümmert. Er ist zuständig für die Struktur des Unternehmens sowie für die Einstellung und Aufsicht über die Geschäftsleitung. Als Gestalter legt er die Unternehmensziele fest und verabschiedet die Strategie des Unternehmens. Ebenfalls zeigt er sich verantwortlich für grössere Investitionen, Zukäufe oder Verkäufe sowie für strategische Partnerschaften und Allianzen. Der VR muss ebenfalls die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sicherstellen und dabei den Markt beobachten, neue Trends und Themen erkennen und die richtigen Schlüsse für die strategische Entwicklung des Unternehmens ziehen sowie die entsprechenden Innovationen und Veränderungen anstossen. Der VR legt die Rahmenbedingungen idealerweise so fest, dass das operative Geschäft erfolgreich funktionieren kann. Damit bildet er auch das Rückgrat eines Unternehmens. Meistens sitzen die Eigentümer eines Unternehmens im VR. In KMU sind Inhaber, VR und Geschäftsführer vielfach in einer Person der Unternehmerin oder des Unternehmers zusammengefasst. Häufig ist noch ein anderes Familienmitglied Teil des VR sowie Treuhandpartner. Aber auch KMU setzen, so Iseppi, vermehrt auf unabhängige VR, um einen externen Blickwinkel in die strategische Ausrichtung des Unternehmens einzubeziehen.

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