Autogewerbe im Wandel
07.04.2025

Die Bündner Sektion des Auto Gewerbe Verbands Schweiz (AGVS) vereint 180 Garagisten mit rund 1200 Mitarbeitenden im Kanton Graubünden. Neben den ordentlichen Verbandsaufgaben unterstützt die Sektion ihre Mitglieder dabei, sich den Herausforderungen der Zukunft stellen zu können, die aktuell ungewiss sind.
Die AGVS-Sektion Graubünden wurde im Jahr 1929 gegründet, drei Jahre nach der Aufhebung des Autofahrverbots in Graubünden. In den 95 Jahren ihres Bestehens hat sie sich zu einer starken Stimme des Bündner Autogewerbes entwickelt. Zusammen mit dem Schweizer Dachverband ist die AGVS-Sektion Graubünden ein Dienstleister, der seine Mitglieder in vielfältiger Weise unterstützt. Von der Rechtsberatung über die Berufsbildung bis hin zur politischen Vertretung deckt sie ein breites Spektrum ab. Neue Mitglieder nimmt der Verband erst nach einer Prüfung der jeweiligen Garage vor Ort auf. Geprüft werden dabei, ob die Voraussetzungen für eine Aufnahme gemäss den AGVS-Richtlinien erfüllt sind.
Autogewerbe im Umbruch
Andri Zisler ist seit 2013 als Präsident der Bündner Sektion und gleichzeitig Mitglied des Zentralvorstands des Auto Gewerbe Verbands Schweiz. Das Autogewerbe, das in Graubünden jährlich rund eine Milliarde Franken erwirtschaftet, steht für ihn vor grossen Herausforderungen. Es kämpft nicht nur mit Fachkräftemangel, es weiss aktuell auch nicht, in welche Richtung sich die Mobilität und damit ihre Branche verändern wird. «Wüsste ich die Antwort, wohin uns die Zukunft führt, würde ich mein Wissen für viel Geld verkaufen können.» Sicher sei nur, dass die Mobilität in unserem Kanton nicht abnehmen werde und der individuale motorisierte Verkehr in Graubünden auf langer Sicht aufgrund der Topografie wichtig bleiben werde, sagt Zisler. Der klassische Autohandel sei im Umbruch. Neue Mobilität erfordert neue Konzepte. «Das führt zu Bereinigungen und Veränderungen in den Betrieben. Zudem verändern sich auch die Geschäftsmodelle der Garagisten. Mit dem Verkauf ist nicht mehr das grosse Geld zu verdienen. Markengaragen sind heute an die sehr engen Vorgaben der Importeure bzw. der Hersteller gebunden», so Zisler. Der ehemalige Inhaber der Alpina Garage in Chur sagt: «Die Auflagen werden ständig erhöht und im Gegenzug die Margen verringert. Durch die stetig wachsende Modellvielfallt erhöht sich gleichzeitig der Schulungsbedarf wie auch der Aufwand an Spezialwerkzeugen. Die Betriebe müssen sich immer weiter zum ganzheitlichen Mobilitätsanbieter wandeln.
Neue Marken anbieten
«Der Wandel hin zur Elektromobilität, die Digitalisierung und die veränderten Kundenbedürfnisse fordern die Garagisten heraus. Bei diesen Veränderungen möchte der Verband seine Mitglieder unterstützen. Schlussendlich müsse aber jeder Garagist selbst diese Veränderungen annehmen und die Chancen des Neuen nutzen, daran müssen wir arbeiten», sagt Andri Zisler. «Wir müssen uns in alle Richtungen orientieren und offen sein. Dass dies teils doppelte Investitionen mit sich bringt, ist eine Tatsache. Uns bleibt aber keine andere Wahl, als diesen Weg zu gehen», so Zisler, denn die Branche sei stark im Umbruch. «Durch die geringen Verkaufszahlen in den Talschaften stellt sich für die Hersteller immer mehr die Frage, ob diese auch künftig an diesen Orten präsent sein wollen. Künftig werden nicht mehr alle Marken überall vertreten sein und die Kunden müssen weitere Wege in Kauf nehmen. Eine Garage muss heute bereit sein, auch neue Marken anzubieten, welche auf den Schweizer Markt drängen und diese Lücken gerne füllen. Als Tourismuskanton sind wir jedoch auch stark saisonabhängig, was wiederum aber auch Chancen für neue Geschäftsfelder ergibt», so Andri Zisler.
Fokus auf Berufslehre
Der AGVS Graubünden ist als eine Sektion des AGVS bekannt, welche in der Berufsbildung stark engagiert ist und eine Vorreiterrolle einnimmt. Er unterstützt Lehrbetriebe bei der Bereitstellung von Ausbildungsplätzen und sorgt durch regelmässige Schulungen dafür, dass die Betriebe stets auf dem neuesten Stand der Technik und Didaktik sind. Gleichzeitig organisiert der Verband Informationsveranstaltungen für Schülerinnen und Schüler, um das Interesse an den Berufen zu wecken und die Nachwuchsförderung gezielt voranzutreiben. Gemäss Ronny Tuffli, der im Vorstand des AGVS Graubünden als Präsident der Berufsbildungskommission engagiert ist, setzt der Verband mit Erfolg auf Öffentlichkeitsarbeit. Mit modernen Kampagnen, Social-Media-Aktivitäten und dem Einsatz von Botschaftern– meist ehemalige Lernende– wird ein authentisches und positives Bild der Automobilberufe vermittelt. Aktuell sind es in Graubünden 190 Lernende über alle Jahrgänge in der Ausbildung zum/zur Automobil-Mechatroniker/-in EFZ, Automobil-Fachmann/-frau EFZ und Automobil-Assistent/-in EBA. «Wir bemühen uns, mit unserem Engagement die Anzahl der Lernenden zu steigern. Da auch wir in den letzten Jahren einen Rückgang an Lernenden hatten, die Geburtenraten in den nächsten Jahren aber wieder höher sind, sollten automatisch mehr Lernende rekrutiert werden können», erklärt Tuffli.
Nicht nur bei der Bewerbung der Lehrberufe, sondern auch bei der Berufswahl und Rekrutierung der Lernenden ist der AGVS Graubünden ein Vorreiter. Um den passenden Beruf und Kandidatinnen und Kandidaten mit den notwendigen Qualifikationen und Fähigkeiten zu finden, arbeitet der Verband seit mehr als 15 Jahren mit einem Eignungstest. «Dieser eignet sich für Schülerinnen und Schüler ab der 2. Oberstufe, um herauszufinden, in welche Richtung es gehen könnte und ob sie für den Beruf geeignet sind», erklärt Tuffli. Gefragt sind neben handwerklichem Geschick, einer schnellen Auffassungsgabe und einer gesunden Portion Menschenverstand nämlich auch vernetztes Denken, Teamfähigkeit und Dienstleistungsbereitschaft. Das gilt sowohl für die technischen Berufe als auch für diejenigen im kaufmännischen und im Detailhandelsbereich des Autogewerbes. Für Schnupperlehren haben die Garagisten einen vom Verband vorgefertigten Arbeitstag mit Aufgaben zur Verfügung. Bewerbungen von interessierten Jugendlichen, welche nicht im eigenen Betrieb eine Lehrstelle finden, werden weitergegeben. Damit gehen fähige und gewillte Jugendliche dem Autogewerbe nicht verloren. Die Solidarität und Zusammenarbeit in der Ausbildung ist laut Tuffli im Autogewerbe sehr gross. Eigenes Ausbildungszentrum Neben der Grundbildung ist die Weiterbildung ein weiterer Pfeiler des AGVS Graubünden. Aufgrund des rasanten Wandels in der Branche, geprägt von Digitalisierung, Elektromobilität und alternativen Antrieben, müssen sich die Mitarbeitenden laufend weiterbilden. Wie sich die Technik entwickelt, so verändern sich auch die Berufe in der Automobilbranche stetig weiter. Im eigenen Ausbildungszentrum in Chur finden neben Weiterbildungen nicht nur die überbetrieblichen Kurse statt, sondern auch der Fachunterricht der Gewerblichen Berufsfachschule Chur und der Unterricht in der höheren Berufsbildung der ibW Höhere Fachschule Südostschweiz. Ob Diagnosetechniken für moderne Fahrzeuge, Schulungen zur Elektromobilität oder Kurse zur Kundenbetreuung – das Angebot ist vielfältig und praxisorientiert. Aktuell beliebt sind Fortbildungen im Bereich der Hochvolttechnologie, da diese im Umgang mit Elektro- und Hybridfahrzeugen unverzichtbar sind. Alle Kurse werden von der AGVS-Sektion Graubünden anerkannt und bilden die Basis für die drei verlangten Weiterbildungstage pro Jahr für alle AGVS-Mitglieder. Das AGVS-Ausbildungszentrum in Chur ist einmalig, was die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Bildungsinstitutionen anbelangt, und gemäss Zisler ein wichtiger Bestandteil der Verbandsarbeit im Kanton Graubünden.
Auto Gewerbe Verband Schweiz, Sektion Graubünden
Gründungsjahr: 1929
Mitgliederbetriebe: 180
Vorstand: Andri Zisler (Präsident), Gian Claudio Gross, Carlo Ronner, Jan Giger, Urs Rüedi, Ronny Tuffli.
Berufe Grundbildung: Automobil-Mechatroniker/-in EFZ, Automobil-Fachmann/-frau EFZ, Automobil-Assistent/-in EBA, Kaufmann/-frau EFZ