Ein Leben für Dolce Vita und die Kunst der Nachfolgeplanung
10.04.2025

Ende 2024 hat Annette Crameri ihre weit über die Kantons- und Landesgrenzen hinaus bekannte Wedding Lounges Dolce Vita in Chur an zwei Nachfolgerinnen übergeben. Treuhänder Martin Bundi hat sie während der Nachfolge begleitet und ist wie die Inhaberin Crameri überzeugt, dass dank Weitblick und Kompromissen eine gute Lösung gefunden werden konnte.
Annette Crameri ist stolze Churerin und eine engagierte Unternehmerin. Als sie am Freitag, 3. Januar 1997, am Kornplatz die Türen ihrer Boutique Dolce Vita öffnete, konnte sie nicht ahnen, dass sie damit eine eindrucksvolle Erfolgsgeschichte in der Schweizer Hochzeitsbranche schreiben würde. Von Beginn an war ihr jedoch klar, dass sie ihr Fachgeschäft für Braut-, Abend- und Herrenmode im Alter von 60 Jahren in andere Hände übergeben wollte. «Das war immer meine Zielsetzung, und daran hat sich nie etwas geändert», betont sie.
Vom einem Boutique-Konzept zur Branchenikone
Dolce Vita hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer der führenden Wedding Lounges der Schweiz entwickelt. Crameris unternehmerisches Gespür für Markttrends, vor allem bei Brautmode, Cocktailkleidern, Abendgarderobe und festlicher Herrenbekleidung, war ein Schlüssel zum Erfolg. Parallel wuchs auch das Unternehmen personell: Aus anfangs drei Mitarbeitenden wurde ein Team von 16 Personen. «Das Wachstum war inspirierend, brachte aber auch steigende Fixkosten und Personalverantwortung mit sich», erklärt sie. Besonders herausfordernd war die Pandemiezeit. «Es gab Monate ohne Einnahmen, aber die Löhne mussten weiterhin bezahlt werden. Am Ende der Pandemie war die Liquidität nahezu ausgeschöpft», schildert sie. Glücklicherweise führten verschobene Hochzeiten zu einem starken Nachholeffekt, sodass Dolce Vita die Verluste kompensieren konnte – ein Erfolg, der ohne die Einsatzbereitschaft des gesamten Teams nicht möglich gewesen wäre.
Frühzeitige Nachfolgeplanung
Vor fünf Jahren und nach mehr als 20 Jahren Inhaberin des Dolce Vita startete sie mit der Nachfolgeplanung. Dies ist ein essenzieller Schritt in der Unternehmensstrategie, der häufig unterschätzt wird, so Treuhänder Martin Bundi, der Crameri über viele Jahre hinweg in finanziellen und unternehmerischen Belangen begleitete. Da ihre beiden Söhne nicht an der Übernahme interessiert waren, begann sie, zuerst selbst in ihrem Netzwerk eine geeignete Nachfolgerin zu suchen. Crameri, die 2010 mit Dolce Vita in grössere und modernere Räumlichkeiten an der Rheinfelsstrasse zog, fand nicht auf Anhieb eine Nachfolge. Zwar gab es immer wieder Interessentinnen, die einen Hochzeitladen übernehmen wollten, doch vielen fehlte es an der Ernsthaftigkeit oder den finanziellen Ressourcen.
Trotz der Unterstützung Martin Bundis mit der BMU Treuhand AG blieb die Suche nach einer Nachfolgelösung langwierig. «Vielleicht war unser Ansatz anfangs zu rational und nicht emotional genug. Die Übergabe hat mehr Zeit benötigt, bis alle Vorteile aufgezeigt werden konnten. Man hat gemerkt, dass wir nicht in Zürich, sondern in der ländlichen Gegend sind», analysiert Bundi. Eine weitere Hürde war Crameris klares Anliegen, Dolce Vita nicht an Investoren oder rein finanzorientierte Käufer zu übergeben, sondern an eine Person, welche ihr Unternehmen mit Herzblut weiterführt, so wie sie selbst es über 25 Jahre lang gemacht hat. Insgesamt gab es während der 5-jährige Evaluierungsphase nur drei ernsthafte Kauf interessenten. «Die Due Diligence war eine besondere Herausforderung. Ich musste sämtliche betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, Lieferantenverträge und Geschäftsmodelle für die Kaufinteressierten offenlegen. Das war nicht ohne Risiko, weil ich nicht wusste, was sie damit machen werden», erinnert sich Crameri. Am Ende wurde sie für ihre Beharrlichkeit belohnt: Mit ihrer ehemaligen Mitarbeiterin Stefania Conrad und der früheren Lehrerin Barbara Rechsteiner fand sie zwei Nachfolgerinnen, welche das Geschäft zusammen übernehmen wollten und dies auch konnten.
Unternehmenswert gesenkt
Wie bei vielen erfolgreichen KMU war auch bei Dolce Vita die Nachfolge eine finanzielle Herausforderung für die Käuferinnen. Treuhänder Martin Bundi erläutert: «Hohe Unternehmenswerte sind einerseits erfreulich, andererseits können sie für die Finanzierung der Übernahme ein Hindernis darstellen.» Bei Dolce Vita entschied man sich daher für eine Aufspaltung, um die Übernahme zu ermöglichen, was gemäss Bundi häufig vorkommt. Die hauseigene Schneiderei wurde ausgegliedert und in das neu gegründete Blinx Nähstudio integriert. Dieses KMU führt Crameri gemeinsam mit ihrer langjährigen Schneiderin Aline Conrad. Dadurch bleibt eine enge Kooperation mit dem Dolce Vita gewährleistet. Weiter musste vor dem Verkauf ein Teil des Lagerwerts reduziert werden, um die Finanzierung zu ermöglichen. Zum Jahresende führte Crameri daher einen Lagerausverkauf durch, um die hohen Lagerbestände und damit die Übernahmekosten zu senken. «Ohne diese beiden Massnahmen wäre die Finanzierung der Übernahme durch Stefania Conrad und Barbara Rechsteiner nicht möglich gewesen», erklärt Crameri. Bundi ergänzt und betont dabei, wie wichtig ein frühzeitiger und strategischer Ansatz bei der Nachfolgeplanung ist: «Je mehr Zeit für verschiedene Lösungsansätze bleibt, desto grösser die Erfolgschancen.»
Ein gelungener Abschluss und ein neues Kapitel
Für Annette Crameri wäre ein Verkauf an Investoren oder eine schrittweise Liquidation finanziell lukrativer gewesen. Doch dieser Weg kam für sie nicht infrage. «Ich hatte eine Verantwortung gegenüber meinen 16 Mitarbeitenden. Deshalb war es mir immer wichtig, eine Nachfolgelösung zu finden, die den Fortbestand von Dolce Vita und die Arbeitsplätze sichert.» Heute blickt sie mit Stolz und Dankbarkeit auf ihre Zeit als Inhaberin des Dolce Vita zurück. «Dolce Vita war mein Baby, und das wird es immer bleiben. Der Abschied fiel mir aber nicht schwer, weil die Übergabe harmonisch verlief und zur Zufriedenheit aller Beteiligten geregelt wurde», erklärt Crameri. Unternehmerin ist sie auch nach dem Dolce Vita geblieben. Neben der Schneiderei Blinx Nähstudio hat sie noch viele Idee im Kopf, wie sie die frei gewordene Zeit künftig verbringt. Dennoch ist sie auch offen für neue Tätigkeitsbereiche und spannende Ideen, die auf sie zukommen werden.
Dolce Vita Braut- und Festmode GmbH
Gründung: 3.1.1997
Mitarbeiter: 16
Tätigkeit: Verkauf von Brautmode, Abendmode und Herrenfestmode.
Besitzerinnen: Stefania Conrad und Barbara Rechsteiner (Bild von links)