Graubünden soll zum Kanton mit der geringsten Bürokratie werden

Vor gut zehn Jahren hat die Bündner Stimmbevölkerung die Verfassungsinitiative gegen unnötige Bürokratie mit einem eindeutigen Resultat von 91 Prozent angenommen. Der entsprechende Verfassungstext lautet: «Kanton und Gemeinden treffen Massnahmen, um die Regelungsdichte und administrative Belastung für Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, so gering wie möglich zu halten.» Es gibt verschiedene Instrumente, wie dieser Verfassungsartikel in der nächsten Legislatur besser umgesetzt werden kann. Drei davon möchte ich hier beschreiben. Das Ziel muss sein, dass Graubünden zum Kanton mit der geringsten Bürokratie wird. Denn dies wäre die beste Standortförderung. Graubünden soll dabei als Pionier auch neue Methoden zur Reduzierung von Bürokratie anpacken.

Bl. Es ist unumstritten, dass der Staat gewisse Aufgaben übernehmen muss, welche die Privatwirtschaft oder andere private Organisationen nicht übernehmen können. Staatliches Handeln funktioniert jedoch anders als die Privatwirtschaft. Einerseits ist das Marktumfeld ein anderes: Die Ansprüche von Wählern, Einwohnern, Medien und Interessengruppen sind zu befriedigen. Das Geld, welches ausgegeben wird, muss nicht am Markt verdient werden. Juristische Argumente wiegen viel schwerer als der gesunde Menschenverstand. Dies führt zu falschen Anreizen, welche systembedingt sind. Auswirkungen davon sind überbordende Regulierungen und Bürokratie. Das Problem ist nicht die einzelne Regulierung oder das einzelne Formular, sondern die geballte Ladung an Regulierungen und Bürokratie.

Grosse Kosten und viel Ärger

Berechnungen gehen davon aus, dass die Regulierungskosten insgesamt circa 10  Prozent des Bruttoinlandprodukts in der Schweiz ausmachen. Für Graubünden heisst dies, dass ungefähr 150 Millionen Franken wegen Regulierungen und Bürokratie verloren gehen. Als Vergleich: Die juristischen Personen zahlten dem Kanton im Jahr 2020 90 Millionen Franken an Steuern. Der nicht zu unterschätzende Teil dieser Kosten dürfte als zeitliche Ressourcen auf allen Führungsstufen in den KMU’s anfallen. Angesichts des Personalmangels wirken Regulierungen und Bürokratie noch ärgerlicher. Um diese negativen Auswirkungen staatlichen Handels einzudämmen, braucht es neben der Führungsverantwortung der Regierung griffige Instrumente.

Effektive Leistungs- und Aufgabenüberprüfung

Privatunternehmen sind dem Markt ausgeliefert. Die Verwaltung ist dem Parlament, Stimmbürger und den Medien ausgeliefert. Leider vermag dieser «politische Markt» nicht die Effektivität und Effizienz des Verwaltungshandelns laufend zu verbessern, wie dies im privatwirtschaftlichen Markt der Fall ist. Aus diesem Grund braucht die Verwaltung regelmässige Fitnessprogramme. Die Leistungs- und Aufgabenüberprüfung, welche in der Verfassung des Kantons verankert ist, braucht klarere Zielsetzungen, damit sie nicht zu einer reinen Übung verkommt. Der Grosse Rat muss analog den finanzpolitischen Richtwerten auch in diesem Bereich der Regierung Richtwerte vorgeben. Die Kadenz und die Zielsetzungen müssen klarer auf gesetzlicher Ebene festgehalten werden.

Bürokratiekontrolle analog Finanzkontrolle

Es ist auch der Finanzkontrolle zu verdanken, dass es den Finanzen des Kantons so gut geht. In der Verwaltung ist die Finanzkontrolle nicht gern gesehen. Dies ist auch ihre grösste Stärke. Denn sie kann die Verwaltung in finanziellen Belangen unter Kontrolle halten. Analog dazu soll eine Regulierungs- und Bürokratiekontrolle eingesetzt werden. Diese prüft jährlich die Ämter auf ihre Tätigkeiten und nimmt vertiefte Prüfungen in einzelnen Bereichen vor, insbesondere auch bei Gesetzesvorlagen. Den Leistungsauftrag kann sie von Regierung und GPK erhalten, analog der Finanzkontrolle. Mit der Bürokratiekontrolle im Nacken wird die Verwaltung disziplinierter unterwegs sein, was unnötige Bürokratie und Regulierungen anbelangt. Zahlen zu prüfen mag zwar einfacher sein, aber mit Willen und Kreativität lassen sich auch Prüfungsmethoden für Regulierungen und Bürokratie entwickeln und umsetzen.

E-Government

Die Digitalisierung in der Verwaltung muss Regierungssache werden und stärker beschleunigt werden. Mit der Digitalisierung der Verwaltungsprozesse muss die oberste Maxime sein, dass Einwohner und Unternehmen im Kanton nur so viel Daten und Papier abliefern müssen wie unbedingt nötig, dass einmal getätigte Angaben nicht wiederholt werden müssen, dass jede Genehmigung daraufhin überprüft wird, ob diese noch nötig ist. Graubündens Ziel muss es sein, zu den Spitzenkantonen im Bereich E-Government zu werden. Auch wenn es eigentlich schon zu viele Gesetze gibt, wird es in allen drei Bereichen wohl nicht ohne eine neue gesetzliche Grundlage gehen, um Bürokratie und Regulierungen in den Griff zu bekommen. Denn Verfassungsartikel ohne gesetzliche Grundlagen sind wie Sonntagspredigten, am Montag einfach vom Erdboden verschlungen.

Kommentar des Direktors des Bündner Gewerbeverbands Maurus Blumenthal

(Fotografin: Olivia Aebli-Item, Südostschweiz)

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